Missbräuchlichkeit von Abmahnungen
Unternehmen, die nicht alle wettbewerbsrechtlichen Vorgaben (bspw. Informationspflichten nach dem Telemediengesetz – TMG) beachten, sind potentiell Abmahnungen ausgesetzt. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche können – im Gegensatz etwa zu vertraglichen Ansprüchen, die in aller Regel nur von den Vertragsparteien selbst geltend gemacht werden können – von einer Vielzahl von Mitbewerbern und Verbänden erhoben werden. Dieser weit gefassten Berechtigung, die einer effektiven Rechtsdurchsetzung im Wettbewerbsrecht dienen soll, steht zugunsten der Abgemahnten aber auch ein Korrektiv gegenüber, von dem in der Praxis oft kein Gebrauch gemacht wird.
Nach § 8 Abs. 4 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) kann man einer Abmahnung (bzw. Klage) den Einwand der Missbräuchlichkeit entgegenhalten. Die Reglung bestimmt, dass die Geltendmachung von Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüchen unzulässig ist, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Anspruchsgegner einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Greift dieser Einwand, ist der in Anspruch genommene etwa nicht verpflichtet, das beanstandete Verhalten (bspw. eine Werbekampagne) einzustellen oder für die – regelmäßig mit einer Abmahnung ebenfalls eingeforderten – Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der Abmahnung einzustehen.
Ganz allgemein kann von einem Missbrauch in diesem Sinne gesprochen werden, wenn bspw. der den Wettbewerbsverstoß geltend machende Mitbewerber überwiegend sachfremde, also nicht hauptsächlich legitime wettbewerbsrechtliche, Interessen und Ziele verfolgt und diese als eigentliche Triebfeder des Vorgehens erscheinen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn es dem Mitbewerber erkennbar in erster Linie darum geht, das andere Unternehmen mit Kosten und Risiken zu belasten und dessen personellen wie finanziellen Ressourcen zu binden.
Nachdem jeder Sachverhalt in der Regel seine eigenen Besonderheiten aufweist, ist es schwierig, allgemeingültige Fälle einer missbräuchlichen Inanspruchnahme festzulegen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat aber auch zuletzt wieder Indizien genannt, die auf eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung hinweisen (Urteil vom 15.12.2011 – I ZR 174/10). In einer vom Abmahnenden eingeforderten Unterlassungserklärung können solche Indizien unter anderem sein:
- Verschuldensunabhängigkeit der geforderten Vertragsstrafe
- Forderung einer zu hohen Vertragsstrafe (wobei das Argument, dass die Höhe der Vertragsstrafe – einer weit verbreiteten Übung entsprechend – nur deshalb mit € 5.100 bemessen worden ist, weil die Zuständigkeit des Landgerichts gesichert werden sollte, als unbeachtlich angesehen wurde)
- Abmahnung ist so weit gefasst, dass auch ein gänzlich anderer als der abgemahnte Verstoß davon erfasst sein könnte
- Erwecken des Eindrucks, eine Unterwerfung unter die Abmahnung und eine Kostenerstattung gehörten dergestalt zusammen, dass eine gerichtliche Inanspruchnahme nur verhindert werden könne, wenn auch die Abmahnkosten umgehend erstattet würden
- Der Sitz des Prozessbevollmächtigten des Abmahnenden ist als Gerichtsstand vorgesehen
Diese Beispiele können natürlich nur einen Anhaltspunkt für missbräuchliche Abmahnungen geben. Sollten aber auch nur geringe Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Abmahnung bestehen, kann es durchaus lohnend sein, die Abmahnung und deren Begleitumstände näher zu beleuchten.
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